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Ales Steger

LIEBESGEDICHT

Sie scheint dir so hilflos, so zart, wenn sie schläft.
Du schleichst dich an, langsam, vorsichtig,
Du weißt, das kleinste Geräusch würde dich verraten,
Kein Manöver gelänge, dich wieder zu verstecken.
Du bist schon sehr, sehr nahe,
Du denkst, nur noch einen Moment,
Nur noch ein paar Millimeter, als sie sich wie gewarnt bewegt
Und den linken Augendeckel hochklappt.
Enttäuscht über deinen Misserfolg starrst du auf ihre Pupille
Und kommst gar nicht auf die Idee, dass dich
Das Korn am Ende eines Revolverlaufs anblickt.
So starrt ihr euch lange regungslos an,
Allmählich kommt dir die Sache verdächtig vor.
Dann hörst du, wie in ihrem Herzen der Abzug klickt,
Und sofort ist die Dunkelheit durch das Feuer von neun Schüssen erhellt.
Getroffen rappelst du dich auf, deine Bewegungen sind steif,
Du drehst dich auf sie zu, du siehst sie erneut an,
Dabei senkt sich mechanisch dein Unterkiefer.
Aus deinem Mund fährt eine hundertfünfundfünfzig Millimeter Haubitze,
Du siehst, wie sie sich erschrocken gegen die Wand presst und
Dann – Feuer! Feuer! Feuer! Feuer! schießt du
Immer und immer wieder, bis vor lauter
Rauch nichts mehr zu erkennen ist.
Du schaltest deinen Laserradar ein: ein roter
Rubinpunkt nähert sich piepsend deinem Rücken.
Du drehst dich um, aber sie war schneller,
Schon kommt dir von der Stelle zwischen ihren Brüsten mit großer Geschwindigkeit
Ein riesiger flammenwerfender Panzer entgegen.
Sofort gehst du in die Grätsche und gibst Befehl
Abfangjäger und Jagdbomber zu starten,
In der Zwischenzeit öffnet sie bereits ihre Flanke
Um eine Atom-U-Bootflotte gegen dich vom Stapel zu lassen.
So kämpft ihr die ganze Nacht und den ganzen Tag,
Bis ihr inmitten brennender Bettlaken und leerer Geschoßhülsen
Tot liegen bleibt, zwei Leichen,
Die mit langen, kalten Messern nur noch die Liebe beleckt.

[kolik 16]