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Marie-Thérèse Kerschbaumer


A L O E II.

Du hattest Frau und Geliebte und ich war dein Gast und war deine heimliche Liebste oder war ich nur Gast, bei unserer Ankunft war SIE schon da, ich erinnere mich an das Blockhaus, die Küche, den runden Tisch und den Blickpunkt, der fand ein Ende hinter dem Eisschrank; an der Stirnwand der Küche die Küchengeräte, es war Tageslicht, das auf die Bühne hereinfiel und die Zimmer ausschloß, die Frau in der Mitte zog ihren linken Schuh aus, an dem Küchentisch sitzend oder war das ich, du hast gewartet im Nebenraum, warst ins andere Zimmer gegangen, du durftest nicht gestört werden, du warst der Hausherr, Gastfreund, Gebieter, mein heimlich Geliebter warst du, als die Ehefrau, die deine heimlich betrogene Ehefrau war, an dieser Stelle der Handlung aber noch nichts davon wußte, den rechten Schuh fallen ließ, nachdem sie ihn vom Fuß gestreift hatte, und das rot karierte Tischtuch schimmerte und schimmerte hinter dem Brot und zwischen den silbernen Stäben, der Topflappen war ein rotes Herz über der glänzenden Kelle, ich zog den Besen hinter dem riesigen Eisschrank, hinter der Ehefrau oder war es die Freundin, hervor, um die vielen Papierreste, Papierknäuel und Abfälle von Papier zusammenzukehren, sie mit dem schwarzen Roßhaar vor mich herzuschieben, den seit langer Zeit liegenden Abfall dieser Absteige oder Behausung, das Gartenhaus oder Chalet, das vielleicht an der Straße lag, doch es kümmerte mich nicht, vielleicht war es weit fort, in der Ferne gelegen.

Wie immer, wenn ich mit einem der Liebsten den Weg in Begleitung zurücklegen darf, weiß ich nicht, wie ich dahin gelangt bin, aber ich war so dankbar, daß du mich in das Haus deiner heimlichen Ehefrau oder Geliebten geführt hast, kinderlos, das war mir bekannt, IHRE Bluse war küchenrot und mit dem Brotkorb vergleichbar, es hieß du seist im Aufbruch begriffen, das Zimmer, die Liege, ein japanisches Bett, in dem der Hausherr sich auf seinen kurzen Visiten erholt, er lag nebenan, die Tür stand angelehnt und war in der Dunkelheit hinter dem Eisschrank kaum zu erkennen, jeden Augenblick konntest du eintreffen, jeden Augenblick kam heraus, daß ich deine heimliche Liebste war oder werden wollte, es gegen den Willen und von den anderen unerwartet, geworden war, der Eintritt ins Zimmer, in dem du dich aufhieltst war verboten, in Wahrheit ging es nur um diesen einen Schritt; ich wollte dich trösten, aber womit, ich wollte dir helfen aber wobei, ich wollte dich lieben aber wann, und immer noch das alte Papier und die Geschichte Unser und wir wußten es nicht.

Aus dem Umkreis des Tisches, der rund war, das Papier vor mich her in der Absicht, die Ruhe des Hausherrn, Gastfreunds, Gebieters nicht zu stören, das Geheimnis nicht zu verraten, und als ich erwachte und nicht wußte, daß ich wachte, träumte ich weiter, denn gerade war dieser Wortwechsel entstanden zwischen dir und der FRAU in der küchenroten Bluse mit dem kastanienbraunen Haar und den seidenen Strümpfen, sie hatte soeben den anderen Schuh ausgezogen und zu Boden fallen lassen, wieder standst du am Fenster mit dem Rücken zu mir, dein schwarzes japanisches Hemd, deine schwarze, lockere Hose, ich hatte alles mit allen Mitteln zu verbergen gesucht, unsere Innigkeit ging so weit, daß ich nicht wußte, ob du wußtest, was ich so sehr - .

Gerade, als es zur Klärung, oder Entdeckung und zur Sprache kommen sollte, wenn SIE die Schuhe angezogen und nicht ausgezogen hätte, wenn SIE fortgegangen wäre, um die Geliebte zu suchen oder die Ehefrau - oder war es vorbei? Vielleicht war ich schon in dem Zimmer des Hausherrn, der du warst, gewesen, unmerklich mit diesem Papierlaub der Briefe an dich vor mich her, und ich hatte, dir im Rücken stehend aber von dir erwartet, auch deinen heimlichen Wunsch erfüllt, und waren dein und mein Wissen schwer und verwunschen, vom gemeinsamen Schlaf und den heimlichen Kieswegen verrufener Tannen und nebelfeuchter Lippenschwüre.

oh, der verlassene Herzschlag, der rasende Zungenkuß meiner geginsterten Ängste! oh, der flimmernde Brotsaum deiner getarnten Geranien! oh, du Herzstück meiner erwarteten Nacht! Eule des Mitleids! Eselin des Nachmittags! Grasnarbe unter Kamillen! oh, Krebs im Widder, du mein Schloh, mein Schloh, wie waren wir froh!

Und keiner wußte es und ehe alles ans Licht kam und ehe alles einbekannt war, und die Ehefrau oder war's die Geliebte, mitten im Zimmer, das ein Rund war, und Kanapees aus Seide, und Kissen und Puffs und Glockenblumen an den Wänden oder Malerei auf dem Hintergrund, es war schon vorbei, und das bestimmte Rot und das bestimmte Blau, du weißt, aus dem Schneegebirge, die dunkle Kleidung des Hausherrn, den man sich mit dem Gesicht nach unten auf der Liege denken kann, ich war oben, ich sah das aus der Traum Perspektive und du hattest die Gesellschaft der Wartenden informiert über dein Fortgehen und das Paßwort genannt, den steilen Berg, die Bergstraße, die tautropfenden Tannen und Fichten das Blockhaus von innen und außen, ich wußte ich werde erwartet, doch dann war der Hausherr oder Gastgeber durch eine Unachtsamkeit gestört und geweckt, ich war traurig ihn dadurch verloren zu haben, daher war es mir lange nicht möglich zu wissen, wo ich mich befand, erst langsam gewöhnte ich mich an das fremde Zimmer und hörte die fremden Geräusche und geriet aus dem Halbschlaf herauf und drehte mich um und suchte erneut dich zu sehn, doch da war es vorbei, ER war nicht mehr zu finden; am Nachmittag, als ich meine Sachen packte, weinte ich ein bißchen vor Sehnsucht und Trauer, daß es nicht einmal so mir erlaubt war, dich heimlich zu lieben, du weißt …

(1992)

[kolik 9]